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Ein glücklicher Schluck Venezuela
Heinrich Heine schrieb in „Ein Wintermärchen“: „Die Göttin hat mir Tee gekocht und Rum hineingegossen. Sie selber aber hat den Rum ganz ohne Tee genossen.“ Lange Zeit galt würziger Rum, wie man ihn mit jamaikanischer Prägung und deutschen Namen im Supermarkt auffand, als Zutat für Backrezepte oder einen winterlichen Punsch. Später gesellten sich dann tropisch-karibische Cocktails hinzu.
Tatsächlich aber finden die Zuckerrohr-Destillate derzeit eine zunehmende Zahl an Liebhabern, die ihren Rum mit Vorliebe pur genießen. Gerne als Digestif oder zu einer Zigarre. Eine Marke, die diese Entwicklung entscheidend prägte, ist Botucal aus Venezuela, insbesondere mit dem Botucal Reserva Exclusiva. Der Rum enthält eine elegante Mischung aus Destillaten, von denen 80 Prozent aus traditionellen kupfernen Brennblasen stammen. Weitere 20 Prozent kommen aus dem Kolonnensystem, einem kontinuierlichen Destillationssystem, das effizienter und milder produziert. Bis zu zwölf Jahre reifen die Destillate, denen auch der besondere Honig des Zuckerrohrs, der Virgin Cane Honey, beigefügt wird. Den Ron Botucal Reserva Exclusiva zeichnet eine sanfte Milde aus, umspielt mit Aromen von Toffee, Orangenschalen, Kaffee, Zimt, Nelke und Rosinen.
Der Markenname birgt in Deutschland ein Kuriosum in sich, denn überall sonst auf der Welt tragen die Etiketten der Rumvarianten der Destilerías Unidas den Namen „Diplomático“. Doch hierzulande kam es zu einem Rechtsstreit, der darauf beruhte, dass der Discounter Aldi einen Weinbrand namens „Diplomat“ in seinem Portfolio führt. Anscheinend traut Aldi seinen Kunden nicht zu, Weinbrand von Rum unterscheiden zu können, und so kam es zu dem fragwürdigen Beschluss, juristisch eine Umbenennung der Rummarke für Deutschland zu veranlassen.
Bevor Rum hierzulande den Weg in die Spezialitätenregale der Spirituosenhändler fand, war ein weiter Weg nötig. Das Bedürfnis nach süßem Geschmack begleitet die Menschheitsgeschichte und führte bereits Alexander den Großen und Marco Polo ostwärts in Richtung Asien, wo die Zuckerrohrpflanze gedeiht. Christoph Columbus erkennt bei seinen Reisen im 15. Jahrhundert dann, wie ideal das Klima der Karibik doch für diese Pflanzengattung geeignet scheint und pflanzt die ersten Setzlinge im heutigen Haiti.
Im Zeitalter der Kolonialisierung zwingt der Dreieckshandel zwischen den Amerikas, Europa und Afrika einen Strom von Sklaven als billige Arbeitskräfte auf die zahllosen Plantagen. Aus den ausgepressten Zuckerrohrpflanzen ergibt sich ein „Feuerwasser“, das aguardiente de caña, das sich später, je nach Region, zu schmackhaftem Rum, Ron, Rhum oder Cachaça aus Melasse oder frischem Zuckerrohrsaft weiterentwickeln sollte.
Die Brennerei der Destilerías Unidas (DUSA) wurde 1959 gegründet und liegt am Fuße der Anden in Venezuela, nahe dem Nationalpark Terepaima, ungefähr 600 Kilometer von Caracas entfernt. So froh die bezaubernden Destillate des Landes stimmen, so tragisch stellt sich die politische Situation in dem Staat an der Nordküste Südamerikas derzeit dar. Hungersnot, Hyperinflation und der politische Machtkampf zwischen Nicolás Maduro und Juan Guaidó stürzen das Land in eine Tragödie. An die drei Millionen Menschen flohen bislang aus dem Land und die Organisation amerikanischer Staaten (OAS) schätzt, dass die Zahl der Geflüchteten im Laufe von 2020 auf über acht Millionen anwachsen könnte.
HIER erfährst du übrigens alles über das Botucal Portfolio.
Auch an der Destillerie gehen diese Entwicklungen nicht spurlos vorbei. Ein Sprecher erklärt: „Diese außerordentlich schwierigen Zeiten bedeuten eine immense Herausforderung für DUSA. Dennoch glauben wir an die Zukunft Venezuelas und setzen alles daran, die Produktion aufrechtzuerhalten und unsere Arbeiter und ihre Familien zu unterstützen. Die meisten unserer Mitarbeiter halten uns die Treue und wir sorgen im Gegenzug für Nahrung, Gesundheitsversorgung und Transport.“ Der Sprecher betont, dass Diplomático ein familiengeführtes Unternehmen ist, das seine Alkohollizenz von den lokalen Behörden erhält und ordnungsgemäß Steuern entrichtet. „Aber die Regierung Venezuelas hat keine Anteile am Kapital des Unternehmens und keinerlei Einfluss auf die Leitung der Firma! Für den Fall einer Verschärfung der Krise hat das Unternehmen bereits Rum-Vorräte im Ausland angelegt.“
Der deutsche Markenbotschafter von Ron Botucal, Peter Schütte, blickt nachdenklich in die Heimat des Produkts, das er so leidenschaftlich repräsentiert: „Es ist tragisch, die Scharen von Geflüchteten zu sehen. Die Menschen im Lande müssen anstehen für etwas Brot. Glücklicherweise ist die Destillerie energetisch autark und versorgt die Mitarbeiter, die froh sind, Arbeit und eine geregelte Versorgung zu haben. Das Unternehmen zeigt Gesicht und engagiert sich für Nachhaltigkeit und die Zukunft des Landes.“
So beispielsweise auch durch den neuen Canaima Gin, der aus Zutaten der Amazonas Region destilliert wird und dessen Erlös zum Teil den indigenen Gemeinden, insbesondere den Pemón Indianern, und der Aufforstung des Regenwaldes im Amazonas Gebiet zugutekommt. Trotz aller Widrigkeiten darf sich Peter Schütte mit seinen Kollegen von Diplomático und Botucal über die neueste limitierte Edition freuen. Der 2005 Single Vintage ist gerade erschienen, der rare Jahrgangsrum der Marke. Die enthaltenen Destillate stammen allesamt aus dem Jahrgang 2005 und reiften zunächst in amerikanischer Weißeiche, bevor sie ein finales Jahr in ehemaligen Oloroso-Sherry Fässern verbrachten. Das Ergebnis ist eine köstliche Kombination aus röstigen Kaffeenoten, Tabak und Schokolade, zu der sich rote Früchte gesellen, die in einem langen und würzigen Nachhall ausklingen. Womöglich das Beste, was Venezuela derzeit bietet. (Peter Eichhorn)